Samstag, 20. Februar 2021

Geplaudert mit Erika Marquardt – Das Interview für den Newsletter «Sélection 05/21»

Erika Marquardt (geb. 1938 in Hochdorf/LU) ist 3-fache Mutter und 7-fache Grossmutter. Ihr Lebensweg hat sie rund um die Welt geführt und immer in Bewegung gehalten. Die Reise begann als 19-jährige, als sie mit viel Mut und etwas Schulenglisch bewaffnet dem verlockenden Aufruf der australischen Regierung folgte und nach Australien auswanderte: 6 Wochen zu Schiff, für 200 Franken und mit der Vorgabe sich für zwei Jahre zu verpflichten. Von der Arbeit in einer Zahnbürstli-Fabrik über die Anstellung in einer Pension, landete sie schliesslich im Departement of Education in Sydney. Aus 2 wurden 7 Jahre, bevor sie samt kleiner Familie wieder in die Schweiz zurückkehrte und dort fast 30 Jahre als Sekretärin im Biozentrum der Universität Basel tätig war. Doch die Reiselust schlummerte nach wie vor in ihr. Drei Tage nach ihrer Pensionierung pilgerte Erika Marquardt alleine in 83 Tagen von zuhause nach Santiago de Compostella und nahm nach ihrer Rückkehr einen Job bei einer bekannten Autoverleih-Firma an für die sie Autos kreuz und quer durch Europa fuhr.

Lebendigkeit und Bewegung spielen eine grosse Rolle in Erika Marquardts Leben: Neben den «Jours fixes» mit ihren Enkeln, war es das Laufen, das zu ihrer Leidenschaft werden sollte. Bis heute nimmt sie an unzähligen Läufen teil und auch ihr beruflicher „Lauf“ war noch lange nicht zu Ende: mit 63 Jahren liess sie sich zur Sportleiterin für Seniorenturnen ausbilden und trainierte bis 75 regelmässig mit diversen Gruppen.

Aus dem Gespräch mit Erika Marquardt gäbe es noch viel Spannendes zu erzählen, aber die Powerfrau macht nicht gern Aufhebens um sich selbst und kommt drum kurzerhand zum eigentlichen Grund unseres Interviews: Dem Umstand, dass sie seit 2012 den Senioren-Tanznachmittag im Landgasthof Riehen organisiert.

 

War Tanzen schon immer eine Ihrer Leidenschaften, oder wann und warum ist es zu einer geworden?
Lacht. Eigentlich bin ich weder eine leidenschaftliche noch eine besonders gute Tänzerin. Das Organisieren und etwas bewegen liegt mir mehr, ist meine Leidenschaft, wie Sie aus meinem Lebenslauf sehen können. Der Traum eines Seniorentanzes ist schon alt und hat seinen Ursprung beim «Thé dansant» in einem Lokal in Kleinhüningen. Dort, wo man damals noch mit der Fähre übersetzen konnte. Seit den Sonntagnachmittagen, die ich vor rund 50 Jahren mit meinem Mann dort erlebt habe, hat mich die Idee nie mehr losgelassen.

 

Seit 2012 findet der Senioren-Tanznachmittag statt. Wie sind Sie damit gestartet, und wie läuft das heute ab?
Als ich mit dem Seniorentanz am 17. August 2012 (bei 37°C!) begann, gab es in der Region nur drei Tanzanlässe, und Riehen bot sich neben den Veranstaltungen im Kleinbasel und Reinach auch geographisch an. Ich konnte Hr. Buess vom Landgasthof für die Idee gewinnen und erhielt von der Abteilung Kultur, Freizeit, Sport 1000 Franken Starthilfe. Mittlerweile gibt es rund acht regelmässige Anlässe in der Region, und viele Tänzer*innen gehen an mehrere Orte, wenn es terminlich möglich ist. Am Anfang hatten wir wenig Riehener*innen. Heute ist das anders, aber nach wie vor kommen die Tänzer*innen von weit her – aus Interlaken, Bern, Breitenbach, der umliegenden Region und dem nahen Markgräflerland. Das erste Mal hatten wir 48 Teilnehmer*innen, jetzt sind es meist rund 80, am Ball sogar bis zu 110 Personen. Man kann einfach kommen, auch einzeln. Etwa 30% meiner Gäste sind Singles.

 

Der Seniorentanz ist also ein gut besuchter Anlass – wie sieht die Organisation heute aus, wie gross ist ihr Team?

Lacht. Also die Organisation läuft alleinig über mich. Im Notfall kann ich aber auf verlässliche Helfer in Familie und Freundeskreis zurückgreifen. Ich bin jeweils am Donnerstag Morgen schon im Landgasthof, dekoriere die Tische und vergewissere mich, dass alles bereit steht. Die Kasse öffnet um 14 Uhr und die Senioren strömen schon zeitig ein, um einen guten Platz zu erheischen! Reservieren kann man nicht. Von 14.30 bis 17.30 Uhr wird getanzt. Beim Ball, bei dem es um 18 Uhr mit Apéro und anschliessendem Bankett losgeht, kann ich auch auf Familie und Freunde und die gute Zusammenarbeit mit dem Landgasthof zählen, was bis dato gesamthaft sehr gut funktioniert und meine Arbeit enorm erleichtert. 

 

Die Musik kommt dabei schönerweise nicht ab Konserve, sondern wird live gespielt!?
Ja, wir haben seit Beginn ein Duo (Keyboard & Saxophon), das Tanzmusik aus den 50er Jahren bis zu den 70er/80er Jahren spielt: Getanzt werden Standards wie Foxtrott, Swing, Cha-Cha-Cha, Walzer etc.

 

Viele Ihrer Besucher*innen sind Stammgäste und treffen sich dank Ihren Donnerstagen seit Jahren regelmässig? 
Ja das ist so. Es gibt sogar eine Riehener Tänzerin, die in den 9 Jahren nur ein einziges Mal gefehlt hat! In dieser langen Zeit hat sich tatsächlich so etwas wie eine grosse Familie entwickelt, und die Begegnungen sind mehr als oberflächlich. Mit wenigen Ausnahmen bleibt es jedoch bei der monatlichen Begegnung am Senioren-Tanznachmittag im Landgasthof. Aber es freut mich immer, wenn ich jemandem über den Weg laufe. 

 

Gibt es Erlebnisse die Ihnen aus diesen neun Jahren besonders geblieben sind? Tief- und Höhepunkte, Lustiges oder Unvergessliches?
Natürlich gibt es beides, Höhen und Tiefen. So haben wir einige wegen Krankheit oder gar Tod verloren. Das tut jedes Mal weh, macht traurig. Aber es haben sich viele Bekanntschaften ja Freundschaften entwickelt und der eine oder andere Flirt ist nicht ausgeschlossen, den wir berührt aber diskret mitverfolgen. Immer wieder überraschen Senior*innen auch mit versteckten Talenten. Als erstes natürlich mit gekonnten Tanzfiguren oder der Mundharmonika-Spieler, der ein Ständchen zum Besten gibt, oder die Tänzerin die eine begnadete Zither-Virtuosin ist. Erich mit seinem Gedichtband «Gedankenstriche», Georges, der meiner Enkelin die ersten Tanzschritte beibringt, oder Dölf der bei einer Befragung zur Antwort gibt: „Einfach die paar Jährchen noch geniessen“, was seine Partnerin mit „Und sich jedes mal schön zurecht machen“ ergänzt. Man spürt das Potenzial und die Lebensfreude. 

 

Sie stecken grosse Leidenschaft und viel Arbeit in Ihre Senioren-Tanznachmittage. Wie gehen sie als Veranstalterin mit der Unsicherheit rund um Covid-19 um?
Mir fehlt diese monatliche Herausforderung, die nicht nur den Tanznachmittag als solchen betrifft, sondern auch das Drum und Dran mit dessen Gestaltung. Ich vermisse sie alle, die in freudiger Erwartung harrenden Tänzer und Tänzerinnen. Solange es noch so ist, möchte ich die Einsamkeit verscheuchen, Hoffnung und Perspektiven bieten und meinen Tänzer*innen Mut machen, sei es per Mail oder Telefon. Auch wenn ich weiss, dass es vielleicht nie mehr sein wird wie es einmal war. Wir haben in diesem letzten Jahr durchaus gelernt flexibel zu sein und sind – das ist auch ein Kompliment an die Tänzer*innen – im Körper und Geist beweglich geblieben.

Ich für mich begegne Covid-19 mit dem erforderlichen Respekt und Abstand und versuche der Pandemie „davonzulaufen“ ---- !

 

Was würden Sie sich für die nächste Zukunft ganz besonders wünschen?
Wünschen tue ich mir schlicht und einfach, dass wir in Bälde wieder unsere Tanzrunden aufs Parkett legen dürfen und wir den Seniorenball in der Walpurgisnacht (31. April – Tanz in den Mai) tatsächlich durchführen können. Dazu hoffe ich, dass wir im Sommer den 100sten Geburtstag einer Teilnehmerin der ersten Stunde (Hildy Hefti) feiern dürfen, und das – so Gott will – ohne Maske. Das ist mein Traum. Man wird alt wenn man keine Träume mehr hat!

 

Was würden Sie Menschen, die nicht tanzen, besonders älteren Menschen, raten/mitgeben?
Auf meinem Jahresprogramm steht „Tanzen oder nur luege und lose“ und das meine ich genau so. Alle sind willkommen, die eine herzliche und gediegene Atmosphäre mögen. Ich rate einfach die Schwellenangst zu überwinden, rauszugehen und z.B. zum Senioren-Tanznachmittag zu kommen. Einmal im Monat bei mir zu flotter Musik zu tanzen oder nur „luege und lose“ verschafft den Senioren*innen eine Struktur, etwas worauf sie sich freuen können und erweitert ihr soziales Netz.

 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Situation das Tanzen wieder erlaubt.
Darauf, dass alle verschont geblieben oder genesen sind von Covid-19 und wir wie gewohnt weitermachen, und zwar wir, die gesamte Korona (= eine Gruppe von Menschen) nach dieser grässlichen und ver-rückten Corona-Zeit. Und freuen tue ich mich auf die vielen glücklichen und strahlenden Gesichter beim Nachhausegehen vom Senioren-Tanznachmittag. 

 

In der Reihe «Geplaudert mit ...» spricht das Kulturbüro mit Personen, die hinter den Kulissen der Riehener Kultur- und Freizeitangebote wirken. 

 

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