Sonntag, 7. Februar 2021

Geplaudert mit Beat Kunz – Das Interview für den Newsletter «Sélection 04/21»

Am 8. Februar 2021 hätte das nächste Konzert der Reihe Classiques! mit Sol Gabetta und Alexej Volodin im Landgasthof stattfinden sollen. Aufgrund von Corona müssen sich die Fans der bekannten Cellistin noch etwas gedulden. Das Kulturbüro hat die Verschiebung aber zum Anlass genommen, mit Beat Kunz, einem der Macher hinter der beliebten Konzertreihe, zu sprechen:

Trotz seiner noch relativ jungen 35 Jahre kann der Riehener Beat Kunz bereits auf eine lange musikalische Karriere zurückblicken. Diese brachte ihn sowohl auf das pädagogische Musikparkett als auch auf etliche klassische Konzertbühnen. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik Basel, der Uni Basel und der Pädagogischen Hochschule der FHNW machte er seinen Abschluss in Chorleitung bei Prof. Raphael Immoos. Seitdem unterrichtet er Musik und leitet diverse Ensembles (Schulchor Gymnasium Bäumlihof, Titus Orchester, Basler Vokalensemble). Die Musikvermittlung ist ihm sowohl im Schul- als auch Konzertkontext ein besonderes Anliegen, gerade was junge Menschen angeht: Im Rahmen der «Basel Composition Competition», die vom 3. – 7. März 2021 zum dritten Mal (wegen Corona aber digital und eingeschränkt) stattfinden wird, zeichnet er für das Schulklassenprojekt verantwortlich. Neben seiner pädagogischen Tätigkeit war Beat Kunz viele Jahre selbst Mitglied des Akademischen Orchesters Basel, für das er regelmässig das Amt des Konzertmeisters ausübte, wirkte in Projekten von Cappella Nova Basel mit und konzertiert mit dem Collegium Vocale zu Franziskanern Luzern regelmässig im In- und Ausland. Der begeisterte Chorsänger ist seit 2012 Präsident des jungen Basler Vokalensembles «pourChœur» und hat schon mehrere Stücke für Chor, Orchester und weitere Besetzungen komponiert. Bei «swiss classics» ist der umtriebige Musiker und Musikbegeisterte seit 2010 im Bereich Kulturmanagement tätig und ist seit der ersten Stunde für die Konzertreihe «Classiques!» im Landgasthof Riehen verantwortlich.

  

Musik ist Ihr Leben – wo und wie kamen Sie mit ihr in Berührung, wann ist der Funke gesprungen, wer hat Sie geprägt?

Ich stamme zwar nicht aus einer Musikerfamilie, doch meine Eltern schätzen und geniessen das kulturelle Angebot sehr und haben früher selbst hobbymässig musiziert. So kam es, dass ich schon als kleiner Knirps Konzerte und Vortragsabende der Musikschule besuchte und früh eine Begeisterung für die Musik entwickelte. Als die Tochter einer befreundeten Familie mit dem Geigenspiel begann, stand für mich sogleich fest: Dieses Instrument möchte ich auch spielen können! Der Rest ergab sich dann wie von selbst: Geigenstunden im Alter von 5 Jahren, kurz darauf durfte ich in den jüngsten der in Basel stadtbekannten «Würmli-Chöre» eintreten; später spielte ich in den Kinder- und Jugendensembles der Musikschule Basel und erhielt als Teenager Klavier- und Kompositionsunterricht. Von den vielen Lehrerinnen und Lehrern prägte mich mein Violinlehrer Antonio Pellegrini massgeblich. Er unterrichtete mich schon als Jugendlichen und noch bis vor wenigen Jahren. Er gab mir nebst einer grossen Begeisterung auch eine differenzierte und emotionale Auseinandersetzung mit Musik mit auf den Weg.

   

Nun sind Sie Musikpädagoge, Komponist, Dirigent, Konzertmeister, Sänger und Veranstalter – welcher Bereich ist Ihnen der liebste, sind Sie einfach überall so talentiert oder wie kommt es, dass sie hinter, neben und auf der Bühne tätig sind?

Ich habe keinen Favoriten; vielmehr geniesse ich die grosse Vielfalt, die meine diversen Tätigkeiten mit sich bringen. Klar ist es manchmal herausfordernd, alles unter einen Hut zu bringen – vor allem aber ist es spannend und hilfreich, die Musik und den Konzertbetrieb aus ganz unterschiedlichen Perspektiven kennen zu lernen. Ich bin überzeugt, dass man als Konzertveranstalter besser auf die Bedürfnisse von Künstlerinnen und Künstlern eingehen kann, wenn man selbst Musiker ist. Meine pädagogische Erfahrung aus dem Schulbetrieb bringe ich wiederum in meine Tätigkeit als Dirigent, Konzertmeister und Chorleiter ein. Es gäbe noch viele weitere Beispiele dafür, wie man Expertise aus einem Tätigkeitsbereich in einen anderen einbringen kann; nebst einem gewissen «Talent» wird man m.E. in der Praxis vor allem dann besser, wenn man mit der Zeit ein umfassendes Verständnis für den gesamten Kulturbereich entwickelt und von seiner eigenen Vernetzung in der Szene profitieren kann.

 

Seit 10 Jahren sind Sie für den Konzertveranstalter «swiss classics» tätig. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden, was zeichnet «swiss classics» aus, was macht Ihre Reihen speziell?

Während meiner Studienzeit arbeitete ich einige Stunden pro Woche für die Ticketing-Plattform kulturticket.ch; diese wird von swiss classics betrieben. Gegen Ende meines Studiums fragten mich die drei Geschäftsführer, ob ich mir eine Teilzeit-Anstellung in der Konzertorganisation vorstellen könne – inzwischen bin ich seit mehr als 10 Saisons mit dabei! Wir sind ein kleiner Konzertveranstalter (fast schon eine kleine Familie!) und organisieren nebst «Classiques!» hauptsächlich Konzerte im KKL Luzern. Seit der Eröffnung 1999 laden wir dort im Rahmen der Reihe «Lucerne Chamber Circle» bedeutende Ensembles und Orchester aus der ganzen Welt ein, die sich durch eine historisch orientierte Aufführungspraxis und originelle Programm­konzeptionen auszeichnen.

 

Die Konzertreihe «Classiques!» im Landgasthof Riehen gibt es seit 2012. Wie kam es dazu und wie läuft es (von Corona einmal abgesehen)?   

Die Verantwortlichen unserer Vorgänger-Konzertreihe «Kunst in Riehen» kamen damals mit der Bitte um Ideen auf uns zu und schlugen eine Übernahme der Reihe durch «swiss classics» vor. Im Rahmen zweier Übergangs-Saisons haben wir begonnen, das Profil der Konzertreihe zu verändern und zu modernisieren. Inzwischen ist «Classiques!» in Riehen als eine beliebte Konzertreihe etabliert. Die Auslastung unserer Konzerte liegt bei gut 80% und erfuhr seit den «Kunst in Riehen»-Zeiten ein regelrechtes Revival! Unterstützt werden wir dabei auch durch die Gemeinde Riehen, die mit Subventionsbeiträgen mithilft, die Eintrittspreise moderat zu halten und dem Riehener Publikum gleichzeitig hochkarätige Klassikerlebnisse zu bieten. 

 

Hochkarätig ist ein gutes Stichwort: Sie bringen grosse Stars der Klassik in den vergleichsweise kleinen Landgasthof. Wie ist die Reaktion der Künstler*innen?

Dass wir einige berühmte Klassikstars nach Riehen verpflichten können, ist nicht zuletzt auch dank unserer etablierten Konzertreihe «Lucerne Chamber Circle» im KKL möglich. Durch diese dürfen wir auf ein treues Netzwerk von renommierten Künstler*innen und Ensembles aus der ganzen Welt zählen. Wenn sie nach Riehen kommen, loben sie jeweils die herausragende Akustik des Landgasthof-Festsaals und freuen sich über die vollen Ränge und das begeisterte Publikum. Gleichzeitig muss man ihnen frühzeitig klarmachen, dass die Infrastruktur des Saals (der ja nicht primär als Konzertsaal konzipiert ist) keineswegs der eines international etablierten Konzerthauses entspricht! Ich muss oft schmunzeln, wenn die Ensembles im «Technical Rider» getrennte Garderoben für Damen und Herren, Catering, Badetücher, Bügeleisen, Duschen oder Einsingräume vermerken – denn all das gibt es im Landgasthof nicht! Und doch gelingt es mit ein wenig Flexibilität, Kreativität und Engagement für alle Beteiligten Lösungen zu finden – ein Umstand, der von den Künstler*innen in den allermeisten Fällen auch wahrgenommen und geschätzt wird: Als Senta Berger bei uns zu Gast war, bemerkte sie belustigt, dass die technischen Möglichkeiten ja schon etwas bescheiden seien, zeigte sich aber gleichzeitig auch sehr berührt, dass wir im Rahmen des Machbaren und in Zusammenarbeit mit einer externen Ton- und Beleuchtungsfirma des Beste herausholten.

 

Flexibel, kreativ und sehr engagiert – das ist der Alltag der meisten  Kulturschaffenden, doch nun hat Corona die Branche auf Eis gelegt und stark gebeutelt. Was ist für Sie als Veranstalter, Arbeitgeber, Vertragspartner, Gastgeber am schwierigsten in der aktuellen Situation? Und sehen Sie auch positive Aspekte?

Natürlich ist die Corona-Pandemie für den Kulturbereich eine Katastrophe. Und leider zeigen sowohl die Massnahmen von Bund und Kantonen als auch die bislang eher langsam und spärlich fliessenden Hilfsgelder, dass unsere Lobby vergleichsweise schwach ist. Und doch führt die Krise auch zu neuen Möglichkeiten für Veranstalter: Es gibt beispielsweise Streaming-Angebote, die gerade im Bereich der nach wie vor eher als elitär geltenden klassischen Musik gewisse Hemmschwellen abbauen können. Auch wir haben uns mit diesen Möglichkeiten schon befasst. Gleichzeitig stellen wir fest: Kein digitales Format vermag auch nur annähernd das Live-Erlebnis für das Publikum oder das gemeinsame Musiziererlebnis für die Ausführenden zu ersetzen. Die Hoffnung bleibt daher, dass der momentane Kulturentzug mittelfristig zu einer grösseren Wertschätzung führen wird.

 

Sie stecken grosse Leidenschaft und viel Arbeit in die Organisation Ihrer Anlässe. Was tun Sie, um jetzt den Mut nicht zu verlieren, was ist für Sie persönlich die «Seelenkur» in diesen verrückten Zeiten?

Das gelingt mal besser, mal weniger gut… in den vergangenen Monaten haben wir sehr viel Zeit mit Konzertabsagen und Verschiebungen verbracht, was mit einem enormen organisatorischen und administrativen Aufwand verbunden ist. Wenn endlich ein Verschiebedatum feststeht und dieses dann wiederum dem Virus zum Opfer fällt, ist der Frust natürlich gross – ganz abgesehen von aufwändig erarbeiteten Schutzkonzepten, die nie zur Anwendung kamen, oder dem grossen finanziellen Schaden für alle Beteiligten. Auf der anderen Seite ist uns aber auch eine enorme Solidarität entgegengebracht worden: Nebst aufmunternden Worten haben viele Konzertbesucher*innen grosszügig auf eine Rückerstattung für ein abgesagtes Konzert verzichtet oder sich zu unserer Entlastung für einen Wertgutschein zur späteren Einlösung entschieden. Dieses schöne Feedback und die offenkundige Wertschätzung unserer Konzerttätigkeit lässt uns trotz allem positiv in die Zukunft blicken. Persönlich habe ich es genossen, mich an den gezwungenermassen freien Abenden und Wochenenden ganz bewusst zu entspannen und Zeit für Hobbies aufzubringen, die sonst immer zu kurz kommen: Z.B. bin ich ein grosser Filmfan und sammle seit Jahren Autogramme. Diese habe ich nun geordnet auf einer Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

Der Film und das Kino scheinen also auch eine grosse Leidenschaft von Ihnen zu sein. Wenn Sie noch einmal von vorn beginnen könnten, würden Sie sich wieder für die Musik entscheiden und falls ja, warum?

Ich würde ohne zu zögern nochmals denselben Weg einschlagen! Die Musik fordert mich intellektuell, berührt mich emotional und bringt mich mit unglaublich vielen spannenden Menschen zusammen. Das Realisieren von Projekten mit Künstlerpersönlichkeiten, Schüler*innen, Laien und Profis löst in mir eine Zufriedenheit aus, die grösser ist als die gelegentlichen Unsicherheiten, mit denen wir uns im Kulturbereich konfrontiert sehen. Übrigens: Wäre ich nicht Musiker geworden, hätte ich vermutlich Anglistik studiert – da für mich Musik und Sprache sehr nahe beieinanderliegen, könnte ich mir eine Weiterbildung in diesem Bereich durchaus vorstellen… für die nächsten paar Jahre bin ich aber schon ganz gut ausgelastet!

  

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn sich die Situation wieder normalisiert?

Konzerte wieder an- statt absagen zu dürfen! Nein, im Ernst: Ich kann nicht leugnen, dass mir die Live-Kultur sehr fehlt: Konzerte, Theaterbesuche, Opernvorstellungen, aber auch Gespräche und ein gutes Glas Wein nach der Vorstellung. Auch Chorproben mit den Jugendlichen und meinem Erwachsenenchor, die Orchesterproben, das gemeinsame Musizieren und die Durchführung aufregender und grosser Projekte wünsche ich mir sehnlichst zurück. Und schliesslich hoffe ich, dass wir bald wieder reisen können – gerade die Freunde in meiner «zweiten Heimat» London vermisse ich sehr.

 

In der Reihe «Geplaudert mit ...» spricht das Kulturbüro mit Personen, die hinter den Kulissen der Riehener Kultur- und Freizeitangebote wirken. 

Beat Kunz veranstaltet mit «swiss classics» die Konzertreihe «Classiques!» im Landgasthof Riehen.  Aufgrund von COVID-19 wird das nächste Konzert vom 8. Februar 2021 mit Sol Gabetta und Alexej Volodin auf den 21. April 2021 verschoben und zweimal stattfinden (um 17 und 20 Uhr), um die reduzierten Kapazitäten und ein strenges Schutzkonzept einhalten zu können. Alle Infos finden Sie unter: www.swissclassics.ch

 

Fotolegende:
- Beat Kunz ©Rahel Durrer Photography
- Classiques! Valer Sabadus ©Philipp Jacquet, Riehener Zeitung:
- Classiques! Silvesterkonzert 2019 Janoska Ensemble ©Philipp Jacquet, Riehener Zeitung
- Beat Kunz @Son & Lumière 2010
- Beat Kunz mit dem Janoska Ensemble und swiss classics-Geschäftsführer*innen Christoph Müller, Regula Schaer,  David Hautle

 

 

 

 

Beat Kunz @Son & Lumière 2010 Classiques! Silvesterkonzert 2019 mit dem Janoska Ensemble @Philippe Jaquet, Riehener Zeitung Silvester 2019 - Mit dem Janoska Ensemble und den Geschäftsführern von swiss classics (Christoph Müller - Regula Schaer - David Hautle) Classiques! Konzert mit Valer Sabadus @Philippe Jaquet, Riehener Zeitung

 

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